Positionspapier Schule in Coronazeiten – Solidarische Pandemiebekämpfung Fehlanzeige

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Die Coronaschutzpolitik der regierenden Parteien zeigt ihr katastrophales Krisenmanagement. Um diesem entgegenzuwirken, fordert die Landesschüler*innenvertretung NRW Maßnahmen in den folgenden Bereichen: konsequenter Gesundheitsschutz, Förderung der seelischen Gesundheit von Schüler*innen, angepasste Abschlüsse und Klausuren und soziale Gerechtigkeit. Bereits zu Beginn der Pandemie und explizit mit einem Positionspapier im September haben wir der Landesregierung konkrete Vorschläge unterbreitet, um die Folgen der Coronapandemie abzufedern und die Pandemie bestmöglich einzudämmen.

In der Coronapandemie hat sich dabei wieder einmal gezeigt, was wir schon aus der Klimagerechtigkeitsdebatte wissen: Die Politik hört nur dann auf die Wissenschaft und Expert*innen, wenn diese mit den Interessen des Kapitals einher gehen. Auch deswegen befinden wir uns mittlerweile erneut vollkommen unvorbereitet in einer neuen Welle Corona mit einer neuen Mutation.

Mittlerweile startet also das dritte Jahr inmitten einer Pandemie und bis heute haben es Bundes- und Landesregierung nicht geschafft, eine gerechte und vorausschauende Coronastrategie zu entwerfen, geschweige denn umzusetzen. So müssen wir auch dieses Jahr wieder über mögliche Schulschließungen nachdenken und laufen Gefahr, einen nächsten Lockdown unabdingbar zu machen, während die Zahl der psychisch Erkrankten weiter steigt - und weiterhin tausende Menschen sterben und ganze Existenzen zerstört werden.

Grundsätzlich ist es dabei vermessen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nur auf den Raum Schule zu begrenzen, weshalb wir auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Maßnahmen benötigen. Nach dem Motto “Lockdown für die Produktion - Firmen dicht bei vollem Lohn” darf die Bundes- und Landesregierung nicht weiterhin erst als letzte Instanz Maßnahmen auf Kosten einzelner Großkapitalist*innen ergreifen.

1.     Konsequenter Gesundheitsschutz

Schule ist ohne zahlreiche Maßnahmen, um ein Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, kein sicherer Ort.

Leider hat die Landesregierung den Zeitpunkt verpasst, an dem durch andere Maßnahmen eine Abkehr vom klassischen Präsenzunterricht verhinderbar gewesen wäre. “Wir brauchen jetzt das Aussetzen der Präsenzpflicht. Schon vor den Ferien mussten einige Schulen komplett geschlossen werden, nur durch das Aussetzen der Präsenzpflicht und die Verkleinerung der Lerngruppen können wir jetzt den vollständigen Distanzunterricht verhindern und die soziale Isolation möglichst gering halten.”, argumentiert Laura Körner aus dem Landesvorstand der Landesschüler*innenvertretung NRW. “Dabei muss es im Ermessen der Schüler*innen liegen, ob sie in Präsenz am Unterricht teilnehmen oder an einem digitalen Ersatzangebot, welches von den Schulen zu stellen ist.”, erklärt Laura Körner weiter.

FFP-2-Maskenpflicht - für alle kostenlos!

Wie mehrere Studien zeigen, können FFP2-Masken das Infektionsrisiko enorm senken. Damit wir die aktuelle Infektionslage in den Griff bekommen können, sollte eine FFP2-Maskenpflicht eingeführt werden. Absolute Vorraussetzung muss dafür eine ausreichende und kostenfreie Ausstattung mit FFP2-Masken für alle Schüler*innen sein. “Nur wenn alle Schüler*innen vom Land mit genügend FFP2 Masken ausgestattet werden, um diese täglich alle 2-3 Stunden wechseln zu können, ist eine an sich begrüßenswerte und notwendige FFP2-Maskenpflicht vertretbar.”, erklärt Xueling Zhou, ebenfalls aus dem Vorstand der LSV NRW. “Ansonsten betreiben wir Gesundheitsschutz auf Kosten jener, die diese Hürde finanziell nicht stemmen können”, argumentiert Xueling Zhou weiter.

Des Weiteren muss das Testangebot an Schulen auf ein tägliches Testangebot - wie es in Berlin schon geschieht - erweitert werden.

Luftfilter statt Luftkampf: Statt 1 F-18 Kriegsflieger lieber 25.000 Lüftungsanlagen

“Seit mehreren Monaten fordern Expert*innen nun schon Luftfilter für die Schulen. Dass die Schulen immer noch nur absolut mangelhaft mit diesen ausgestattet sind, während gleichzeitig Milliarden in der Kriegsmaschinerie oder für die Rettung von Großkonzernen verpulvert wurden und werden, zeigt die politische Schieflage und Prioritätensetzung der Regierung.”, kritisiert Julius van der Burg, auch Mitglied im Landesvorstand der Landesschüler*innenvertretung NRW.

Es braucht jetzt weitere Finanzierungen und eine Ausstattungsoffensive mit Lüftungsanlagen. Denn während Luftfilter das Lüften bei Minustemperaturen nicht ersetzen, können Lüftungsanlagen denselben Schutz verschaffen, ohne die Fenster öffnen zu müssen, verbessern auch perspektivisch grundsätzlich die Luftqualität und können im Sommer Räume herunterkühlen.

Das Risiko einer Infektion besteht dabei letztendlich jedoch nicht nur in der Schule selbst, sondern auch auf dem Weg zur Schule. Daher muss gerade zu den Stoßzeiten das ÖPNV-Angebot enorm ausgebaut werden, um die Anzahl der Schüler*innen bspw. in den Bussen besser zu verteilen.

Des Weiteren sollen Kommunen dazu aufgefordert werden, in Absprache mit den Schulträgern einen gestaffelten Unterrichtsbeginn zu organisieren, sodass sich die Schüler*innen der verschiedenen Schulen nicht alle zeitgleich im ÖPNV befinden.

Impfstoffe retten Leben - Impfpatente morden!

“Das national-fokussierte Verhalten der Landes - und Bundesregierung, als Vertretung der Interessen von Konzernen und einzelner Reichen, zeigt sich auch in der Impfstoffverteilung. Mutationen wie Delta oder Omikron entstehen vor allem, weil die Bundesregierung weiterhin an den Impfpatenten festhält, während die USA und viele europäische Staaten diese schon lange freigeben wollen. “Diese Pandemie kann nur global bekämpft werden, also gebt endlich die Impfpatente frei!”, fordert Laura Körner aus dem Landesvorstand die regierenden Parteien auf.

Auch auf nationaler Ebene müssen vorhandene Impfdosen aber überhaupt erstmal verteilt werden. Daher braucht es eine groß angelegte Impfkampagne an Schulen, in der Schüler*innen Informationen erhalten und genügend Ansprechpersonen haben, um über mögliche Sorgen zu sprechen. Dafür müssen Konzepte wie Impfbusse aktiv von der Landesregierung unterstützt und zusätzlich gefördert werden.

Des Weiteren sollen Schüler*innen für die Gefahren von Verschwörungsideologien sensibilisiert werden und fächerübergreifend auf einer wissenschaftlichen Grundlage über existierende Verschwörungstheorien diskutieren und diese widerlegen. Dafür braucht es Unterricht, der sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Extremismusforschung orientiert und nicht an längst widerlegten Theorien abarbeitet, wie z.B. der Hufeisentheorie, die Linksextremismus und Rechtsextrmismus gleichsetzt und damit Rechtsextremismus verharmlost.

2.     Seelische Gesundheit ernstnehmen!

Die Zahl der psychisch erkrankten Menschen nimmt nicht erst seit der Pandemie zu, doch gerade in dieser Zeit treten psychische Erkrankungen verstärkt auf. Spätestens die Pandemie hat uns allen also gezeigt, wie sehr unsere seelische Gesundheit unter sozialer Isolation und den notwendigen Maßnahmen leiden kann, bei manchen mehr und bei anderen eben weniger - leider viel zu oft auf Grundlage des sozioökonomischen Hintergrundes.

Spätestens jetzt ist also die Zeit, diese Probleme strukturell anzugehen. Dabei ist der Bereich Schule sehr bedeutsam/relevant, denn unter Schüler*innen ist die Zahl der psychischen Erkrankungen besonders hoch. Neben den vielen Veränderungen, die das Leben in dieser Zeit mit sich bringt, sind Schüler*innen einem permanenten Leistungsdruck ausgesetzt. Seelische und mentale Probleme sind dadurch nicht zu selten eine der Folgen eines kapitalistischen Schulsystems und der Verwertungslogik der kapitalistisch-sozialisierten Gesellschaft. Die Situation wird sich in einem kapitalistischen (Schul-)System nicht auflösen lassen.

Dennoch gibt es einige Dinge, die verbessert werden können. Es braucht vor allem mehr Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen. Schüler*innen müssen die Möglichkeit bekommen, Erlebtes in einem sicheren Rahmen zu verarbeiten und zu reflektieren. Dafür müssen diese Gespräche auch während der Unterrichtszeit aktiv gefördert werden, indem Räumlichkeiten und ausreichend Kapazitäten geschaffen werden.

Des Weiteren braucht es weiterhin eine Aufarbeitungsstunde, in der den Schüler*innen im Klassen-/ Kursverband die Möglichkeit gegeben wird, Erlebtes auch in größeren Gruppen zu thematisieren.

Schulen müssen die Möglichkeit bekommen, individuell einzelne andere Unterrichtsstunden auszusetzen. Zusätzlich muss der Lehrplan gekürzt werden, um Lehrer*innen zu ermöglichen, ausgewählte Themen gezielt und tiefergehend zu thematisieren, um auf spezielle Interessen von Schüler*innen eingehen zu können. “Ziel darf es nicht sein, Lernrückstände durch noch intensiveres und enger getaktetes Lernen auf Kosten der seelischen Gesundheit der Schüler*innen nachzuarbeiten, Schulen müssen die Kompetenz erhalten, den Lehrplan auf die Bedürfnisse der Schüler*innen anzupassen.” fordert Laura Körner.

3. Abschlüsse und Klausuren

Abschlüsse und Klausuren hängen eng mit der seelischen Gesundheit zusammen. Das lässt sich vor allem in der Klausurenphase immer wieder beobachten, z.B. daran, wie stark die Klausurenphase das Leben von Schüler*innen beeinflusst und wie sehr die meisten Schüler*innen in dieser Zeit ihr Privatleben auf das Lernen reduzieren.

Daher ist es auch keine neue Forderung, Klausuren abschaffen zu wollen, um Schule zu einem Lebensort und nicht zu einem reinen Lernort zu machen.

Gerade in der Pandemie ist die Dringlichkeit und Wichtigkeit dieser Forderung aber nochmal deutlich geworden. In der Coronapandemie konnte man immer wieder sehen, wo der Fokus des MSB liegt. So wurden Klausuren immer wieder vor die seelische Gesundheit von Schüler*innen gestellt. Schüler*innen wurden schon nach kurzer Zeit zurück in den Präsenzunttericht gezwungen, um Klausuren zu schreiben, die sowieso keine Vergleichbarkeit schaffen und viel Stress und Frust bedeuten.

Wie bereits beschrieben, muss sich die Landesregierung von der Ideologie verabschieden, alle Lehrinhalte nacharbeiten zu können. Dies ist schlichtweg nicht für alle Schüler*innen möglich und lässt vor allem Schüler*innen zurück, die unter anderem aufgrund ihres sozioökonomischen Hintergrunds nicht richtig oder auch gar nicht am Distanzunterricht teilnehmen konnten. Abschlüsse basieren so noch mehr nur darauf wie viel Rückhalt der*die einzelne Schüler*in im sozialen Umfeld hatte und welche Hilfsangebote vorhanden und bezahlbar waren. Somit sind die Endnoten noch weniger aussagekräftig als schon zuvor.

“Es ist daher dringend notwendig, Abschlussprüfungen dezentral von den einzelnen Schulen erarbeiten zu lassen, da

nur die Lehrer*innen selbst wissen, welche Lerninhalte bearbeitet werden konnten und welche zeitbedingt weniger thematisiert wurden.”, erklärt Xueling Zhou aus dem Vorstand der LSV NRW. “Auch muss das generelle Klausuraufkommen reduziert werden, um die Schüler*innen zu entlasten und Raum für die mentale und seelische Aufarbeitung der Pandemie zu bieten.”, so Xueling Zhou weiter.

Eine den Umständen richtig entsprechende Maßnahme wäre allerdings die komplette Streichung jeglicher Abschlussprüfungen. Eine solche Veränderung ist ohnehin schon längst überfällig, mit den nun neu entstandenen Problemen im Schulalltag ist das Schreiben einer Abschlussprüfung aber schlichtweg unzumutbar.

Die Regierung ist mit ihrem “Krisenmanagement” in den letzten Monaten kläglich gescheitert. Es zeigt sich, dass im Kampf für eine gerechte Schule kein Verlass auf Parteien ist und wir für unsere Zukunft selbst einstehen müssen. Wirkliche Veränderungen kann es nur durch den Protest, den Druck von der Straße und eine starke außerparlamentarische Opposition geben.